2011/04/09

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Boah, leck mich. Warum mach ich das hier? Selbstexperiment. Was überhaupt? Das:


„Junge, komm‘ ran!“ – „Ja ne, lass mal.“ – „Spinner, komm‘ ran!“ – „Ne.“ – „Dann halt nicht.“


Und:


Der übliche Punkt. Er glaubt, Sie gefunden zu haben. Er glaubt, Sie glaube, Ihn gefunden zu haben. Dann nicht mehr, alles ist anders, keine Ahnung warum. Ist einfach so.


Mädchen sind doof. Und kompliziert.


Jetzt?


Whisky. Viel Whisky.


Two and a half men.


Schöne Serie. Auch viel Whisky. Aber mehr Frauen.


Neid auf fiktive Personen? „YOU OFFICIALLY HIT ROCK BOTTOM!“


Leck‘ mich.


Whisky. 30€ die Flasche. Hauptsache er schmeckt. Geldprobleme sind für dumme Leute. Leute mit Freunden.


Leck mich.


Freunde.


Leck mich.


Ausweg?


a) Freunde finden. Schon dabei. Dauert. Mühsam.
b) Weg. Weit weg. Desozialisieren, noch mehr noch doller. „What goes down must come up! “ Je tiefer desto berühmter.
c) Freitod. Suizid. Nä. Kann ich immer noch. Auch in 30 Jahren.
d) Whisky. Jeden Tag. Leberversagen spart Suizid. Suff spart Freunde. Suff ersetzt Distanz. Wie in diesen Augenblicken, wenn alles groß wird und du selber klein und alles auf dich zu kommt und gleichzeitig von dir weg und überall in deinem Kopf ist Schwindel und du kannst klar denken, aber das ist sowieso egal, weil dein Kopf morgen sowieso drauf scheißt und alles ist so eng und so frei, Agora-Klaustrophobie, alles in einem und du fühlst dich so gut und endlich mal einzig…


…und artig.


Denn du schreist nicht.

2010/12/13

Fast=x-1 - Aber x ist eine Unbekannte

Es wäre auch einfach zu einfach gewesen. Kennengelernt. Angeschaut. Zurückgeschaut. Blick gehalten, wer bricht ihn zu erst. Laternenpfahl. Schmerz.


Nein – so schlimm nun auch nicht. Aber fast. (Fast? Fast=x-1. Aber x ist eine Unbekannte… – no pun intended.) Na jedenfalls… Sie war nett. Nein: Nett ist der kleine Bruder von Scheiße. Sie war freundlich – und mehr als das. Sie war… na, interessant halt. Und interessiert. Was soll ich schon sagen? Es dauerte nicht lange, schon war sie die Perle meine Utopien, die Protagonistin meines Kopfkinos.


Und sonst? Naja. „Hast du einen Freund?“ – „Ich möchte nicht drüber sprechen.“ …


Und sonst? Egal. Weitermachen. Doll. „Hey, wie wär’s denn wenn…“ – „Doch nicht jetzt… Ich hab noch viel zu tun, heute!“.


Und sonst? „Oh,…“ – „Egal, setzt dich doch neben mich!“ – „Neben dich? Immer!“ – Ein Lächeln. Nein. DAS Lächeln. Das Lächeln, das alles ins Rollen gebracht hat. Doll. Weitermachen.


Aber… – und sonst? „Ich hab gehört, du hast Schluss gemacht?“ – „… Ja. … Ich möchte nicht drüber sprechen“.


Und dann. Die Chance. Gruppenfoto. Neben ihr, Arm in Arm. Zufrieden. Zu Frieden? Friede ist doof. Action ist gut. Aber ohne mich. Sie geht. Ich bleibe. Ende.





Ende? NEIN!
Ich will mehr. Immer mehr. Sie will: Frieden.

2010/10/08

Von einer verlogenen Dystopie

Der Mensch… - ist ein seltsames Wesen. Oder auch nicht. Es ist jedenfalls erstaunlich, was man an sich selbst beobachten kann; wenn man denn die Augen aufhält. Ich meine hier den Gesellschaftlichen Aspekt.


Ich habe eine ganz normale Erziehung genossen, nicht besser und nicht schlechter als die der anderen Jungen in meiner Klasse. Ich bin nach der Realschule auf die Realschule gekommen, trotz einer Gymnasiumempfehlung. Schade im Nachhinein, und auch irgendwo gut so. Wer weiß wo ich sonst wäre: Utopie oder Dystopie. In der Realschule musste ich mehrfach neue Freunde schließen; meine Alten waren ja allesamt auf der Hauptschule gelandet (Hey – war ich etwa der klügste aus meiner Clique? Mag ich Leitbild sein?). In der fünften Klasse ging das schnell, ein Freund war damals noch nichts wert, so jung. Ende der neunten Klasse blieben meine zwei besten Freunde sitzen; in der Schule will ich nicht alleine sein; kann ich nicht. Ich suche mir also wieder neue Freunde. Freunde. Jetzt waren sie was wert, man konnte mit Ihnen etwas teilen; wenn man denn mochte. Es wurde schwer, sich anderen Personen anzupassen. Die Clique ging freitags einen trinken, hielt sich fast das ganze Wochenende zusammen irgendwo auf. Ich war zu Hause, meine Zeit am Rechner zu verschwenden.

Ich weiß nicht genau, wo ich den Ansatz verpasst habe. Sicher wollte ich mit, sicher wurde ich eingeladen. Aber ich kam von weiter weg, ich hatte schon das Problem abends nach Hause zu kommen. Ich konnte bei einem Freund übernachten. Ja. Warum habe ich es nicht gemacht? Es wurde mir sogar angeboten. Ich Idiot, oder so. Am Ende des Jahres stehe ich wieder alleine da. Nach der Realschule kommt die Berufsfachschule, ein neuer Anfang.

Aber auch bei einem neuen Anfang sind einem die Leute voraus. So einfach war das nicht. Neue Freunde habe ich gefunden, gute Freunde. Wir haben auch privat was unternommen, ein bisschen. Aber ich war nie im inneren Kern der Clique oder überhaupt einer Clique. Immer war ich irgendwo weit außen. Es machte mir zu der Zeit nichts aus. Seltsam, vielleicht hat’s mir auch so gelangt, damals.

Ich war noch immer nicht am Wochenende weg, noch immer nicht unterwegs, einen Heben. Natürlich brauche das auch nicht. Dachte ich mal. Sich betrinken ist mal gut, Party auch, unter Leuten sein ist aber der Kernpunkt hier. Das hatte ich nie.

Ein Jahr Arbeit. Erst Vollzeit, dann Teilzeit. Keine Ahnung, wie ich das überlebt habe. Ich habe mich entwickelt, aber noch immer nicht das aufgeholt, was ich in einer Gesellschaft gebraucht hätte. Mitten drin fange ich an in einer Band zu spielen; ich bin bei weitestem der Jüngste, der nächste ist etwa zehn Jahre älter als ich. Das ist okay, ich brauche auch nur einen Zeitvertreib. Eine Sache, die mich bei Gedanken hält. Ich wurde älter und musste mich selber fördern um auf Draht zu bleiben. Was auch immer. Es half. Ein Bisschen.

Nach der Arbeit die Ausbildung. Die Ausbildung fördert mich, aber nicht genug. Je länger sie dauert, desto mehr Überstünden stehen auf meinem Konto, desto weniger Lust habe ich auf Urlaub. Arbeit macht frei!

Ich wollte nie so werden, im Rückblick, aber ich bin es doch geworden: eine Art Workaholic. Ich bin der beste Auszubildende seit Jahren, den Kollegen teils weit Voraus. Aber für welchen Preis? Ich habe derzeit nicht einen einzigen Freund. Ich kenne niemanden der meine im Laufe der Zeit so abwegigen Interessen teilt. Und außerdem habe ich es vergessen, Beziehungen zu schließen, die weiter reichen als zum Kollegialen. Übrigens Beziehungen: ich hatte bis zu dem Zeitpunkt natürlich auch noch nie eine Freundin. Nie gebraucht; gab doch Pornos.
Je länger ich mich aber in der Ausbildung befinde, desto stärker fühle ich mich einsam. Einsamkeit ist für mich ein starkes Gefühl. Nur, weil ich keine Freunde habe, muss ich nicht einsam sein. So habe ich es immer gesehen und sehe es auch noch.
Mittlerweile bin ich aber einsam, egal wie sehr ich es leugnen würde. In welche Richtung ich auch sehe: alle Kollegen, Mitauszubildende, ja sogar die räudigen Penner an der Bushaltestelle. Alle haben Freunde.

Ich frage mich langsam, wie ich es geschafft habe, so ein Semi-Exil zu erschaffen. So schlimm kann ich nicht aussehen. Stinke ich? Nein. Bin ich unfreundlich? Manchmal, aber nein. Was ist mit mir los?


Ich weiß, dass ich ziemlich intelligent bin (ironischerweise brauche ich für dieses Wort die Auto-Korrektur von Word…). Ich habe es schon seit der Grundschule immer wieder gehört. „Hochintelligent“ – glaube deiner Mutter niemals dieses Wort. Jede Schule, die ich besucht habe, hat mir letztendlich den Eindruck gegeben – ohne, dass ich jemals drum gebeten hatte – , dass ich dieses Potential bestätigen sollte. Irgendwann fing ich an es zu glauben. Irgendwann fing ich an, arrogant werden, deshalb. Die Arroganz und alle damit verbundenen Nebeneffekte (Stolz, Überheblichkeit, Engstirnigkeit, Ehrgeiz,…) haben sich schon zu früh in mein Denken eingeprägt.

Ich habe mir beigebracht Dinge so zu machen, wie ich es am besten finde. Wenn jemand einen anderen Weg fand, war ich dagegen. Pauschal.

Hörte jemand nicht meine Musik, gab es Streit.

War jemand andere Meinung, konnte ich ihn nicht mehr akzeptieren.


Das Ganze hört sich jetzt schlimm an. So schlimm ist es eigentlich nicht. Ich habe gelernt mit Menschen umzugehen. Mit Menschen, die mir ebenbürtig sind, oder sogar unter mir stehen, in welcher Rangfolge auch immer. Überholt mich jemand, habe ich Probleme. Es fällt mir schwer Autoritäten zu akzeptieren. Klar, Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, bla bla. Ich muss mich sogar zwingen solche Sätze zu akzeptieren, anzuwenden.


Früher habe ich immer gedacht, ich werde mal berühmt. Klar, tut wohl jeder Mal. Nichts Schlimmes.

Heute weiß ich, ich werde nicht berühmt (ja, manchmal träume ich natürlich, aber das gehört hier nicht hin). Ist auch okay. Meine Angst besteht heute darin, dass ich jemanden kenne, der berühmt wird. Vielleicht sogar mit einer Sache, die eigentlich meine wäre. Meine größte Angst ist es, dass ich überbleiben könnte. Alleine, okay. Einsam, scheiße.


Ich hoffe immer, ich bin nicht der einzige, dem es so geht. Dass es noch jemandem so geht wie mir: Sich selbst belügen und fest daran glauben, auch ohne auszukommen. Alleine klarzukommen. Aber wenn es dann dunkel wird, und alle Spaß haben, neidisch zu sein.

2010/04/08

Über die Welt, die Menscheit und den Sinn des Lebens

Oh Mann. Da will man einmal einen Text schreiben, denkt, man hätte eine gute Idee, und kaum ist Word offen, ist sie weg. Schlicht weg.


Was bleibt? Eine Leere im Kopf, die man verzweifelt mit etwas Schlauem füllen will. Grad eben war da doch noch so was. So ein toller, auf Anhieb eloquent formulierter Satz: anschaulich, ausdrucksstark und doch irgendwie nichtssagend – ohne Zusammenhang verwirrend aber im Kontext freut der Leser sich wie ein Frosch am Dreckeimer, so gefällt ihm diese Formulierung.


Und jetzt ist sie weg. Die Formulierung, der Satz, der Kontext, das Thema. Das Thema… Was war das noch gleich? Den Titel hatte ich doch auch schon… Das war irgendwas mit „Über die Welt, die Menscheit und den Sinn des Lebens“ – im Prinzip also mal wieder das übliche. Irgendwie versuchen, ein schon tausendfach philosophisch totdiskutiertes Thema wieder aufzukochen. Das Ganze dann mit genügend Spott und arrogantem Nihilismus aufpumpen, leere Lücken mit Allegorien und Metaphern getauften Rundumschlägen auf völlig andere Themen mit völlig anderen Problematiken füllen und die Sätze noch so stark verschachteln und verwirrend bauen, dass man beim Korrekturlesen selber nicht mehr durchblickt. Der Leser soll ja immerhin etwas meines riesigen Intellekts zu sehen bekommen – nein – er soll erschlagen werden von meiner grammatisch-literarisch-philosophischen Breitseite. Er soll ein Gefühl von Neid und Kleinheit haben, innerlich mit sich ringend, ob er den Text nun wirklich zu verstehen glaubt, oder es sogar tut.


So war der Plan.


Aber der Plan ist hin – die Idee verloren, für immer. Die sich so selten und gewitzt anfühlende Pointe einfach verschwunden, im Schlund meines Kopfs.


Naja – was soll‘s. Im nächsten Jahr müsste ich beim Lesen des Textes vermutlich eh brechen – Vergangenheitsverachtender, der ich doch bin.

2009/10/15

Warum?

„…Warum?“


„…
Manchmal glaube ich an komische Dinge, sehr komische Dinge. Ich glaube manchmal, dass ich bei Aliens bin und schon gar nicht mehr lebe. Die Aliens sehen alle ziemlich genau so aus, wie man sie aus diesem schlechten Area 51-UFO-Video kennt und sie lassen mich mein Leben noch einmal miterleben. Dabei geben sie mir die Möglichkeit, bedingt in das Geschehen einzugreifen. Sicher, ich habe mein Leben schon gelebt, aber trotzdem kann ich auf meinen Verstand und mein Gewissen zugreifen. Mit Verstand meine ich hier das Bisschen Verstand, das im Unterbewusstsein verankert ist, während das Gewissen eine Art Spiegel repräsentiert, ein Spiegel zum Verstand. Wenn ich also eine Entscheidung treffe, kann ich darauf bedingt Einfluss nehmen, mittels meines Verstandes, den die Aliens mir gaben, obwohl ich bereits tot bin.“


„……………………………………………“


„Du verstehst es nicht? Natürlich nicht.
Pass‘ auf: Dieser ‚Verstand‘ ist nur ein kleines Bisschen dafür verantwortlich, was ich mache.
Folgendes: Ich überlege mir, ob ich in die Bahn einsteige, die mich zu meinem Ziel bringt. Mein Pflichtbewusstsein sagt ‚ja‘, mein Gefühl sagt ganz klar ‚nein‘; ich habe keinen Bock darauf, worauf auch immer, was auch immer mich am Ende erwartet. Jetzt kommt dieser ‚Verstand‘ ins Spiel und kann dazu beitragen, die endgültige Entscheidung zu treffen. Hier sagt er mir, ‚tu‘ es, oder du wirst es bereuen!‘ Ich glaube meinem Verstand und steige ein.


Eigentlich hat dieser Verstand die Rolle – was heißt Rolle? Eigentlich ist dieser Verstand, der in meiner Erinnerung nur im Unterbewusstsein stattfindet, ja mein eigentlicher Verstand aus der Zukunft (so blöd es klingen mag), wenn ich tot bin – des Beschützers und sorgt nur dafür, dass ich mich nicht dumm benehme, konkreter; dass ich meinem Gewissen nur minimal oder temporär Rechenschaft schuldig bin.
Also habe ich entweder auf kurz beschlossen oder werde auf lang noch beschließen (welches von beiden ist mir im Nachhinein nicht mehr ganz klar, aber ich tendiere zum letzeren), mit dir Kontakt aufzunehmen. Egal, wie du dich verhalten magst: ob du ja oder nein sagst, mich küsst oder mir eine klatschst: mein Verstand riet es mir.“


„…
Dreh‘ bitte um.“


„Okay.“

2009/09/19

Von dem Gewissen der Gefühle

Ich dachte ich hätte sie schon vergessen und ein resigniertes Resultat aus der Affäre gezogen: Es gibt keine Liebe. Diesen Satz zu schreiben erinnert mich schon an eine Zeit, eine Zeit lange her, in der ich dieses Lied zum ersten Mal hörte:


Es gibt keine Liebe auf dieser Welt,

es ist ein Traum, der uns gefällt.

Es gibt nur Lüge, Gier und Hass

und viele Tränen, dick und nass.


Ich war damals noch jung, als ich mich in einer schönen Sommernacht zu diesem Lied betrank. Schon damals hatte ich nur sie im Kopf, sie und keine andere. Klar, damals wie heute habe ich sicher auch anderen Frauen hinterhergeschmachtet, aber ihr Name war immer da, ihr Name war „Gesetz“. Damals kannte ich sie über Dritte, von der Schule, über einen damaligen Freund. Dieser ist mittlerweile nur noch kategorisiert als „irgendein Bekannter“ und so, wie sich die Kluft zwischen ich und mir gebildet hat, so hat sie sich auch zwischen mir und ihr gebildet. Damals kannten wir uns, zumindest ein bisschen. Immerhin genug um während der Wartezeiten auf den nächsten Bus miteinander zu reden. Flirten? Nein, wohl nicht. Ich war damals schlicht zu blöde für sowas. Und sie?
In meiner Einbildung hat sie es sicher getan, mit mir geflirtet. Sonst nicht.

Die Zeiten hatten sich schon geändert, als ich sie damals angerufen habe. Ein peinliches Erlebnis, aber vergessen möchte ich es trotzdem nicht. Damals war sie schon so… anders. Eigentlich überhaupt nicht anders. Nur fremd. In den drei(tausend) Jahren, in denen ich keinen Kontakt mit ihr hatte, hat sie neue Leute kennen gelernt, neue Freunde, neue Bekannte. Sie hatte sich entwickelt. Eine Entwicklung, die ich am liebsten selbst angestoßen hätte, aber ich war damals zu dumm gewesen.

Sie war mir nicht nur fremd: sie war mir auch voraus. Zumindest glaubte ich das. Vermutlich wollte sie es mich glauben lassen; Zeitverschwendung, schlechtes Gewissen, das ganze Pi-Pa-Po. Sie war einfach nur so fern, so distanziert, obwohl sie doch neben mir saß und mit mir sprach. Sie war nett, aber vehement auf ihrer Position.

Als ich wieder zu Hause war, hatte sich die Sache für mich erledigt: ich wusste, ich würde ihr noch nachtrauern, aber von Liebe war keine Spur mehr. Ich dachte ich hätte das Tier in mir damit getötet. Ich fühlte mich alles in allem besser; in den Monaten die darauf folgten, entwickelte ich mich weiter, gen „Elite“. „Elite“ ist für mich das absolute Maß an Perfektion, das es einfach nicht mehr zu übertreffen gibt. „Elite“ ist es, vor Tausenden von Menschen „einfach sein Ding durchzuziehen“. „Elite“ ist es, zu wissen was kommt, zu wissen wie man reagieren soll und zu wissen, was niemals passieren darf. „Elite“ ist das absolut fehlerfreie Spielen auf einem Konzert, es ist das Verhalten auf der Bühne, und auch darüber hinaus; es ist die optimale Antwort auf ein Problem; die absolute Lösung in Form eines Menschen. „Elite“ kennt keine Liebe. „Elite“ wollte ich sein. Ich wurde immer elitärer, auf der Arbeit, mit meiner Musik, in gesellschaftlichen Aspekten.

Heute wandle ich, durch Langeweile bedingt, in Internet-Communites um her. Mit einem Schmunzeln muss ich an sie denken, gebe ihren Namen in das Suchfeld ein. Eine Liste von Personen mit diesem oder ähnlichem Namen erscheint. Zuerst finde ich sie nicht, doch dann entdecke ich ihr Gesicht, verdeckt mit einer Sonnenbrille und eine knallbunten Strickmütze – so wie ich sie in Erinnerung habe. „Sie ist schwer zu erkennen, vielleicht täusche ich mich ja“, trickse ich mich dazu, ihr Profil anzuklicken. Kurz zweifle ich sogar daran, dass sie es ist: der Ort ist nicht gerade der, den sie erwähnte als wir damals miteinander sprachen. Als ich aber weiter Bilder von ihr sehe, trifft es mich wie ein Schlag: Sie ist es. Und sie tut weh. Ihr Anblick ruft den Moment zurück, als sie den Hörer abnimmt und mit einem spürbarem Lächeln „Hallo“ in die Sprechmuschel sagt. Das Gefühl von Liebe erfasst mich, die Reue, dass ich sie nicht damals angesprochen habe, als es Zeit gewesen wäre raubt mir die Luft. Ich sehe ihr Gesicht vor mir, wie ich es in Erinnerung habe. Das vermeintlich frohe Lächeln, von dem ich mir wünschte, ich wäre der Ursprung; der rote Mund, den ich so gerne küssen würde; die Augen, oh, ihre Augen…; das kastanienfarbene, lange Haar, das weiche.

Jetzt ist sie weg, weit weg. Irgendwo hoffe ich, dass ich sie noch einmal wieder sehen werde. Woanders hoffe ich, sie endlich zu vergessen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich, dass beides nicht passieren wird. Und der Glaube daran, dass Liebe nur eine biochemische Reaktion auf einen Naturinstinkt, auf das natürliche Verlangen der Fortpflanzung ist, ist dahin. Gestern war ich noch frei von dieser Last, vehement davon überzeugt, Liebe sei nichts als Einbildung. Ich hatte meine Arbeit, meine Musik, meine Freizeit und ich war glücklich. Heute bin ich ein Knecht ihres Anblicks und will nichts mehr, als wieder glücklich zu sein. Mit oder ohne sie, je mehr desto besser.

2009/06/08

Lyrik des Monats: Sebastian Krämer - Deutschlehrer

Dieses Stück verbindet Elemente des Flamencos mit Fanfaren aus Gladiatoren-Filmen – eine Woge der Erregung wälzt sich durch den Saal. Aber bei dem Thema, um das es geht, war's auch nicht anders möglich - es geht nämlich um Deutschlehrer in diesem Stück. – Sind Deutschlehrer hier heute Abend? Wie immer, sie geben's nicht zu.


Es gibt einen kleinen Prolog:


Liebe Deutschlehrer, Ihr denkt, Ihr hättet Pisa verhindern können. Ihr macht Euch schwere Vorwürfe deswegen. Macht Euch keine Vorwürfe, arme Deutschlehrer! Es gibt schon einen, der Euch genug andere Vorwürfe macht – und das bin ich.


Deutschlehrer, Ihr hättet die neue Rechtschreibung verhindern können. Ihr hättet sie verhindern können – wer, wenn nicht Ihr?! An Euch wäre es gewesen zu sagen: Nein! Denn wisst Ihr, wenn Ihr sagt: "Schiller war ein cooler Typ, der hatte es echt drauf" - dann glaubt man Euch das nicht. Wenn Ihr sagt: "Sprache ist was ganz Tolles, probiert es mal aus, dann seht ihr, dass auch ihr Dichter seid" – dann glaubt man Euch das nicht.


Und wenn Ihr sagt: "Max Frisch ist heute immer noch aktuell, deshalb heißt er auch Max Frisch, höhöhö" – dann glaubt man Euch das nicht. Aber wenn Ihr sagt: "selbstständig" schreibt man mit Doppel-st, dann glaubt man Euch das doch. Und wenn Ihr sagt: "es sich leicht machen – das sind vier getrennte Wörter: es sich leicht machen; er hat es sich leicht gemacht" – dann liegt zwar ein Sechzehnjähriger am Boden und bepisst sich vor Lachen, aber man glaubt es Euch. Nun werdet Ihr sagen: "Die neue Rechtschreibung, die ist doch gar nicht mehr neu!" Aber falsch ist sie immer noch – als könnten zehn Jahre Opportunismus irgend etwas ändern.


Deutschlehrer, Ihr hättet Bushido verhindern können! Und Xavier Naidoo! Ihr hättet es verhindern können! Wer wenn nicht Ihr?! An Euch wäre es gewesen zu sagen: "Das reimt sich nicht, das sind schiefe Bilder, das ist gar kein vollständiger deutscher Satz" – oder besser: Ihr hättet schon früher damit beginnen können, Poetry-Slam und Rap-Kultur in Eurem Unterricht totzukaspern. Dann wäre uns bestimmt auch viel erspart geblieben.


Deutschlehrer, schaut Euch doch mal an! Wo sind die Cordhosen geblieben und die Pullunder?! Deutschlehrerinnen, wo sind nur die Steckfrisuren? Die Schüler haben einen Anspruch darauf! Sie brauchen doch ein klares Wertesystem! Sie wollen doch von Euch wissen, welches Outfit gar nicht geht. …und welche Bücher!


Deutschlehrer, wenn Ihr wollt, dass die Schüler ein Werk der Wortkunst entdecken und ein Leben lang im Herzen tragen, haltet es um Gottes Willen aus Eurem Unterricht raus! Kapiert das doch endlich! Ihr seid wie König Midas (falls Euch Mythologie etwas sagt), bloß dass alles, was Ihr anfasst, zu Scheiße wird. Ihr seid das Abführmittel der Kultur. Oder – anders gesagt – Ihr seid die Bösen, aber nicht weil Ihr wirklich böse seid, sondern weil es Eure Aufgabe in der Gesellschaft ist. Zur Sozialisation gehören Feindbilder. Werdet Euch endlich Eurer Verantwortung bewusst!


Deutschlehrer, ich weiß, dass Ihr mich hört. Die Zeiten, als Ihr vor dem Fernseher saßet und Elke Heidenreich gucktet, sind vorbei. Elke Heidenreich ist abgesetzt. Ganz zu schweigen vom "Literarischen Quartett". Wer hätte es verhindern können? Egal – nicht weiter tragisch.


Ich weiß, dass Ihr mich hört. Ihr geht ja inzwischen in Comedy-Clubs und in MySpace-Blogs – ja, da trifft man Euch ja, im neuen Medium. Wo die Schriftlichkeit ihre triumphale Renaissance bar jeder Orthografie erlebt: "ich kozze ab" – mit zwei Z. Gerade wieder aus dem Mund eines Nacktmodels auf "Playboy late night" gehört: "Zu meinen Hobbies gehört auch das Internet, weil hier die Schriftlichkeit eine Renaissance erlebt." War bestimmt 'ne Deutsch-auf-Lehramt-Studentin.


Deutschlehrer, Ihr hättet Harry Potter – nein, den hättet Ihr nicht verhindern können. Ich gebe es zu. Aber das ist noch lange kein Grund, sich nachts um halb Zwei gemeinsam mit den Gören in die Schlange vor den Buchladen zu stellen, weil der neue Band releast wird – wir krank ist das denn?! Harry Potter! Dieser gewaltverherrlichende Päderastentraum mit Zauberstab! – "Das Hörbuch vom Feuerkelch war so spannend, eigentlich war meine Ausfahrt schon da, aber ich bin extra noch über Leverkusen gefahren, um es zu Ende zu hören." – Und zu Hause steht Robert Musil im Regal und wurde noch nicht einmal angefangen.


Deutschlehrer, Schande über Euch! Schande, Schande, Schande, Schande über Euch! Schande, Schande, Schande, Schande über Euch! Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande, Schande über Euch! Schande über Euch! Schande! Schande! Schande! Schande! Schande über Euch!


Deutschlehrer, und jetzt nehmt gefälligst dieses Scheißlied, ohne Reim und ohne Rhythmus und mit einer Melodie, die ein wenig über die Mühe verrät, die ich mir bei der Erarbeitung dieses Werkes gegeben habe – nämlich gar keine, und analysiert es mit Euren kleinen Schleimwichsern.


Frage: "Warum verwendet der Autor hier die Umgangssprache?" – Das ist keine Umgangssprache, das ist meine Sprache für besondere Anlässe. Es kommt halt immer auf den Umgang an, den man pflegt.


Nein, ich bin nicht stolz auf das Lied. Aber ich bin ein Getriebener, ein von der Wahrheit Getriebener! Ihr elenden Deutschlehrer, Ihr hättet diese Wahrheit, Ihr hättet dieses Lied verhindern können – wer wenn nicht Ihr?!